2025, September 30

Französische Leichtigkeit bei Perfektion: Orchestre de Paris beim Musikfest Berlin

Das Musikfest Berlin fungierte in diesem Jahr wieder als lebendiges Forum für musikalische Vielfalt und künstlerische Handschriften. Die große Eröffnung gestaltete – beinahe schon traditionsgemäß – das Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam. Unter Klaus Mäkelä präsentierte sich der renommierte Klangkörper mit solch makelloser Präzision, dass diese manchem Zuhörer fast museal erschien. Dagegen überraschte das Orchestre de Paris in Klang und Habitus. Unter Esa-Pekka Salonen überzeugte Frankreichs führendes Sinfonieorchester durch ein lebendiges Klangbild und schimmernde Farbigkeit, das sich wohltuend vom kontrollierten Zugriff der Niederländer abhob.

Salonen, 1958 in Finnland geboren, blickt auf eine beeindruckende Vita zurück. Der Ehrendirigent des Los Angeles Philharmonic ist nicht nur Dirigent, sondern auch ausgebildeter Hornist und Komponist, der avantgardistische Techniken in sein kompositorisches Schaffen integriert. „Der Klang des Horns ist die Seele des Orchesters“ – dem berühmten Satz Robert Schumanns folgend komponierte Salonen eigens für Stefan Dohr, Solo-Hornisten der Berliner Philharmoniker, ein Hornkonzert, das beim Musikfest seine Deutschlandpremiere feierte. Virtuos und technisch makellos entfaltete Dohr die ganze Klangpalette dieses besonderen Instruments. Sein Horn belohnte das Publikum mit einer immensen Klangvielfalt und kraftvollen Signalen, warm, atmend und voluminös vorgetragen.

Jean Sibelius’ 5. Sinfonie (1915), ein Auftragswerk der finnischen Regierung zum 50. Geburtstag des damals bereits international gefeierten Komponisten, erlebte unter Salonens Leitung eine Deutung von herber Poesie. Diese Musik sei etwas komplett Anderes, weit weg vom Mainstream, so Salonen. Das ist wahr: Die Fünfte ist eigenwillig, zwiespältig, rätselhaft, auf sonderbare Weise modern. Schon der zweite Satz ist eine in sich ruhende, träumerische Variationenszene. Doch der dritte Satz ist eine Überraschung. Das berühmte „Schwanenthema“, das Sibelius nach eigenen Worten als eine Gabe Gottes beim Anblick über den See langsam ziehender Schwäne einfiel, stieg unter Salonens Hände Führung wie ein Bild auf – zart, melancholisch, von leiser Kraft durchzogen.

Luciano Berios „Requies“ für Kammerorchester (1983), eine Hommage an Cathy Berberian, Ikone der experimentellen Vokalmusik und einst Berios Ehefrau, bildete dazu einen Gegenpol. Wie viele Werke Berios, einer Schlüsselfigur der italienischen Nachkriegsavantgarde, gleicht Requies einer musikalischen Collage, zusammengesetzt aus Elementen der Kunst- und Volksmusik, Jazz und afrikanischen Rhythmen. Das auf Kammermusik reduzierte Orchestre de Paris fand in diesem Werk zu seiner Bestform. Salonen, in der Rolle des Klangarchitekten, gestaltete die Übergänge und Schichtungen mit kreativer Klarheit und Leichtigkeit, was ein weiteres Mal die enorme Bandbreite seines musikalischen Könnens offenbarte.

Foto: Stefan Dohr und Orchestre de Paris, Credits © Fabian Schellhorn